[Anime] Crunchyroll 'strömt' auf den deutschen Markt

Hawkwing

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[align=justify]Ausnahmsweise gibt es an dieser Stelle weder eine klassische Gaming-News oder eine Anime-Review, sondern eine recht interessante Anime-News. Es geht dabei konkret um das Vorhaben des US-Amerikanischen Streaming- und SimulCast-Dienstes Crunchyroll, auch auf dem deutschen Anime-Markt Fuß zu fassen. Da ein derartiges Vorhaben aufgrund der Geschäftspolitik Crunchyrolls die gesamte Fansub-Szene Deutschlands auf den Kopf stellen könnte, soll sich folgender Artikel mit dieser Thematik befassen.


Disclaimer: NanaOne bzw. Gebbi gebührt der Respekt für jegliche Form von Recherche-Arbeit. Ich werde mich hier lediglich auf diesen Artikelvon Gebbi beziehen.


Zunächst einmal soll an dieser Stelle geklärt werden, was Crunchyroll denn nun genau ist. Der deutsche Wikipedia-Artikel schreibt darüber Folgendes:
Crunchyroll ist eine US-amerikanische Online-Community und Streaming-Website zu ostasiatischen Medien, darunter Anime, Manga, japanische (Dorama), koreanische und chinesische Fernsehserien, Musik und Computerspiele. Die 2006 gegründete Website bietet mittlerweile legales Streaming von über 200 Animeserien an, einige Serien auch ohne Regionalbeschränkung auf Nordamerika. Sie ist auf Englisch, Japanisch, Spanisch und Portugiesisch verfügbar. Der Betreiber sitzt in San Francisco und hat ein Büro in Tokio.
Soweit zur allgemeinen Einführung. Eines vorweg, ich werde mich im Zuge dieses Artikel immer wieder auf diesen News-Artikel von NanaOne beziehen, der mich überhaupt erst über das Thema informiert hat. Dementsprechend wird dieser Artikel hier nur die wichtigsten Punkte des NanaOne-Artikels zusammenfassen und an ein paar Stellen filtern. Bei Interesse kann ich euch nur nahelegen, den NanaOne-Artikel zu lesen. Dieser ist weitaus vollständiger und auch meine wichtigste Quelle, zumal Gebbi und No weitaus sicherere Quellen und Insider-Informationen besitzen als ich.

Aus diesem Grund werde ich an dieser Stelle auch nur ein kleine Zusammenfassung verfassen und an allen wichtigen Stellen auf NanaOne verlinken bzw. es direkt zitieren.

Denn die Frage, was dieser Schritt denn nun für die deutsche Anime-Szene bedeutet, ist durchaus interessant. Crunchyroll ist nämlich einer der größten US-Amerikanischen Dienstleister im Anime-Gebiet und verkauft Flatrates für Simulcasts zu einem Preis von 5€ pro Monat. Dies bedeutet, dass der geneigte Zuschauer für gerade einmal 5€ pro Monat in den Genuss der meisten Serien kommt, und dies vollkommen legal. Das wirklich Interessante dabei ist, dass Crunchyroll (in Verbund mit anderen Simulcast-Anbietern wie Hulu, Daisuki, etc.) mittlerweile fast jede größere Serie mit einer Laufzeit von ~24 Minuten abdeckt. So ist zum Beispiel 'Yozakura Quartet' die einzige größere Serie, die in dieser Herbst-Season nicht von Crunchyroll und Konsorten als Simulcast angeboten wurde. Ein Blick auf die Simulcast-Liste von Crunchyroll alleine sollte genügen, um zu begreifen, wie umfangreich ihre Lizenz-Pakete gestaltet sind.

5€ pro Monat für eine vollkommen legale Streaming-Flatrate das gesamte Lizenzpaket umfassend klingt natürlich auf den ersten Blick extrem verlockend, gerade wenn man die mehr als nur happigen Preise der deutschen Anime-Publisher für eine einzige DVD- bzw. BluRay-Box als Vergleich heranzieht. Jedoch ist dies auch mit ein paar Problemen behaftet. Einmal davon abgesehen, dass es durch derartig niedrige Preise fast schon zu einer Entwertung des eigentlichen Materials kommt, dürfte eine derartige Praktik den ein oder anderen deutschen Publisher ins Schwitzen bringen.
Lizenzen im Anime-Bereich sind teuer, wodurch Crunchyroll, um solche Angebote überhaupt erst anbieten zu können, natürlich an anderen Stellen sparen muss. Dies dürfte allem Anschein nach beim Personal der Fall sein. Crunchyroll sucht momentan bei den großen deutschen Fansub-Gruppen (natürlich auch der allgemeinen Community) nach aktiven Übersetzern, welche jedoch - auch wenn NanaOne verständlicherweise keine offiziellen Zahlen nennen wollte/konnte - sogar noch weitaus schlechter bezahlt werden würden, als es bei den bisherigen Publishern der Fall war. Ergo dürfte eine Qualität, wie sie momentan bei den wirklich guten deutschen Gruppen vorherrscht, von den Simulcasts nicht erreicht werden.

Apropos Fansub-Gruppen. Auch dieses Thema ist bei einer derartigen Betrachtung extrem wichtig. Bisher gab es ja zwischen der deutschen Anime-Industrie und den Subgruppen den sogenannten Kodex, der die deutschen Fansubs rechtlich recht gut absicherte und der auch von Anime Copyright Alliance (ACA) angesehen wurde.
Aufgrund einer mangelhaften juristischen Situation waren dadurch Fansubs genau genommen zwar nicht legal, allerdings auch nicht illegal, da darüber die japanischen Firmen zu entscheiden haben, die sich entweder nicht dafür interessieren oder die Subs als kostenlose Werbung ansehen. Kodex-Konformität bedeutete dabei an dieser Stelle, dass die Subgruppen die Verbreitung einer Serie zu dem Zeitpunkt einzustellen haben, an dem sich ein deutscher Lizenznehmer die Rechte an dieser gesichert hatte. Des Weiteren durften sie keinerlei Werbung schalten und mussten alle Kosten (abgesehen von Spenden) selber tragen. Ein international gesehen deutscher Sonderweg, welcher mir persönlich und mit Sicherheit auch vielen anderen Leuten sehr gut gefallen hat.
Durch das Vordringen Crunchyrolls auf den deutschen Markt könnte sich in diesem Fall jedoch so einiges ändern.

Zunächst einmal sollte darüber geredet werden, wie Crunchyroll denn mit Fansubs und Subgruppen im Allgemeinen in ihrem heimischen Markt umgeht. Dieser Umgang ist sogar erstaunlich liberal, da Crunchyroll nichts gegen die Subgruppen unternimmt, die Serien bearbeiten, zu denen sie selber einen Simulcast anbieten. Selbst gegen die bekannte Gruppe Horrible-Subs, welche die Crunchyroll-Releases nur 1 zu 1 rippt und neu released, wird nichts unternommen, da das Unternehmen die Fansubs als Werbung ansieht. Ob man diese Parameter auch auf den Umgang mit dem deutschen Markt ansehen kann, steht noch in den Sternen.[/align]

[align=justify]Doch wie sieht es nun konkret für uns Anime-Konsumenten aus? Es wird eindeutig von den Fansub-Gruppen und von Crunchyroll selber abhängen. Mit Sicherheit wird sich der Wald der deutschen Subgruppen mehr als nur lichten, da es nun ein noch größeres Überangebot an Subs (und dazu noch offiziell und zu 100% legal) geben wird und da manche Mitglieder einer Subgruppe mit Sicherheit mehr als nur gerne bei Crunchyroll anheuern würden, um aus ihrem Hobby einen bezahlten Beruf zu machen.
Dazu sei noch gesagt, dass jede Aussage an dieser Stelle noch nicht in Stein gemeißelt ist und das sich alles innerhalb der nächsten paar Monate noch ändern kann. Nach dem momentan Stand der Dinge sieht es zumindest aus Gebbis bzw. NanaOnes-Sicht so aus:
NanaOne:
Für die meisten Besucher bei uns wohl die Frage, die sie am brennendsten interessiert. So viel sei zu Anfang direkt gesagt: Die Fansubszene wird sich enorm verändern. Sollte Crunchyroll gar wie in Nordamerika irgendwann ganze Seasons lizenzieren, wird es zwangsläufig zum Fansub-Super-GAU kommen.

Welche Entwicklungen es in Zukunft geben wird, kann man wohl am besten anhand der engl. Fansubszene absehen. Wie weiter oben bereits erwähnt, gibt es in der aktuellen Herbstseason noch genau einen 24-Minuten-Late-Night-Anime, der nicht gesimulcastet wird. Die wenigen Fansubgruppen, die nicht das Handtuch geworfen haben (oder bei Crunchyroll angeheuert sind) und weiterhin ihrem geliebten Hobby nachgehen wollen, fertigen nach wie vor Fansubs an, teils mit Original-Übersetzungen, teils mit Crunchyroll-Edits, die besseres Timing, Typeset und einen besseren Encode bieten und oftmals, aber leider in letzter Zeit immer seltener, auch ein runderes Dialogskript.

In der französischen Fansubszene sieht es aktuell ähnlich aus, nur dass dort aufgrund der großen Anzahl an Launchtiteln (auch bei deren zwei anderen Simulcast-Diensten Wakanim und ADN – ersterer wird ebenfalls als Simulcast/Home-Video-Publisher nach Deutschland kommen) offenbar noch mehr Gruppen resigniert haben.

Die langjährige Fansubkultur droht nun also auch in Deutschland langsam einzugehen. Jede Gruppe wird sich nun überlegen müssen, wie sie mit dieser Situation umgeht. Viele Gruppen werden vermutlich keinen Sinn mehr darin sehen, Anime zu untertiteln, die 1-2 Stunden nach der Ausstrahlung im japanischen TV bereits auf Crunchyroll mit deutschen Untertiteln verfügbar sind. Andere wiederum werden sich die Anime rauspicken, die keinen Simulcast bekommen.

Und dann wird es natürlich auch jene Gruppen geben, die künftig ähnlich wie diejenigen englischen Gruppen agieren werden, die an ihrem Hobby hängen und dieses unbedingt weiterverfolgen möchten, auch um die Fansubkultur zu erhalten. Was bedeutet, dass sie Crunchyroll-Simulcasts ignorieren und versuchen werden, qualitativ hochwertigere Alternativen anzubieten. [...]

Was machen wir? Eine Mischung aus allem. Die meisten aus unserem Team werden wohl wenig Motivation haben, Serien zu subben, die von Crunchyroll gesimulcastet werden, daher werden wir in der Anfangszeit, in der uns noch genug Optionen offenstehen (aufgrund des anfangs noch kleinen Lizenzpools von Crunchyroll), wohl hauptsächlich die Anime rauspicken, die keinen Simulcast bekommen. Wenn wir richtig scharf auf einen Anime sind, kann es aber durchaus vorkommen, dass wir trotz Simulcast eine Original-Übersetzung anfertigen werden. Crunchyroll-Edits waren bei uns bisher nicht im Gespräch und werden wohl auch noch für lange Zeit kaum von Interesse sein.

Simulcast- und Home-Video-Lizenzen hiesiger Publisher respektieren wir aber in jedem Fall weiterhin. Von den Gruppen, mit denen ich bereits über dieses Thema gesprochen habe, wird Chinurarete es wohl ähnlich handhaben, von Peachcake sind mittlerweile viele Übersetzer bei Crunchyroll tätig (soweit ich weiß)… Nun ja, und der Rest erfährt wohl ohnehin erst mit diesem Artikel von der ganzen Sache und wird nun erst mal seine Gedanken ordnen müssen.

Die Fansubszene ist mittlerweile reif genug, dass tendenziell keine umfangreiche Kodexdiskussion mit dem üblichen Mord und Totschlag entfacht wird – einfach aus dem Grund, dass der überladene fan-sub.de-Kodex nur noch von wenigen Gruppen vertreten wird. Dennoch müssen sich auch die Betreiber von Portalen wie fansubdb.net und fansub-info.de nun Gedanken darum machen, wie sie mit dieser Situation umgehen. Momentan werden Fansubs zu Anime ausländischer Publisher, die aber international mit deutschen Untertiteln veröffentlicht wurden (beispielsweise Little Witch Academia) auf beiden genannten Portalen weiterhin gelistet und jene Gruppen auch nicht zensiert. Die eine Möglichkeit wäre also, dies weiterhin so zu handhaben, wodurch Crunchyroll, der nun mal kein deutscher, sondern ein amerikanischer Publisher ist, bei Lizenzen quasi ignoriert wird. Und die andere Möglichkeit wäre letztendlich die Zensur oder der Rausschmiss jener Gruppen, die trotz Crunchyroll-Simulcast ihre Fansubs nicht einstellen, wodurch tendenziell nur noch wenige Gruppen übrigbleiben werden. Mögliches Zwischending: Die Fansubportale verweisen neben den Fansubs auch zu den offiziellen Subs bei Crunchyroll. Durchaus denkbar, dass selbst wir das auf unserer Seite so handhaben werden, sollten wir mal etwas subben, das es auch bei Crunchyroll gibt.
Liebe Fansubber-Kollegen, auf euch kommen schwere Zeiten mit schweren Entscheidungen zu. Handelt vernünftig, diskutiert die Sache mit euren Mitgliedern und fasst keine übereilten Entschlüsse. Teilt uns eure Gedanken gerne in den Kommentaren mit. Alle anderen, die nichts direkt mit der Fansubszene zu tun haben, sind natürlich ebenfalls dazu eingeladen, an der Diskussion teilzunehmen.

Bis dahin,
ein ungewöhnlich ernster Gebbi.
Ich kann euch an dieser Stelle ein Weiteres mal mehr als nur nahelegen, den kompletten Artikel auf NanaOne zu lesen, wenn euch das Thema interessiert.

Die deutsche Fansub-Szene befindet sich momentan also in starker Bewegung. Ich persönlich weiß noch nicht genau, was ich davon halten soll. Ich würde die herausragende Qualität der guten deutschen Gruppen nur ungern missen, welche selbst die guten englischen Gruppen locker in die Taschen stecken. Jedoch sieht es zwangsläufig wohl so aus, als ob man auf diesem Gebiet Abstriche machen muss in Zukunft. Auf jeden Fall werde ich die weitere Entwicklung genau beobachten und euch auf dem Laufenden halten. Hoffentlich bleiben Chinurarete, NanaOne und Co als Gruppen bestehen.

mfg Hawkwing[/align]
 
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